Herkunft des Hausacher Hansels
9.11.2011
In dem Buch "Mittleres Kinzigtal im Brauchtum. Erzählungen, Sagen und Schnurren" des gebürtigen Hausachers Gustav Hirt, erschienen bei "August Sandfuchs. Buchdruckerei und Verlag. Wolfach / Schwarzwald", ist zu lesen:
"Der Hausacher Spättlenarro oder Spättlehans, wie er in den [18]80er und [18]90er Jahren auftrat, entwickelte sich im 14. Jahrhundert aus der gotischen Zaddeltracht, wurde nach dem großen Krieg durch gelbrote Maskenkleider verdrängt und wird dereinst auch wieder in alter Tracht erscheinen. Von den vom Spättlenarro getragenen Holzlarven, wie sie schon um 1780 zur Maskierung dienten, sind nur noch einige Stücke vorhanden. Neu angefertigte im Stile der bisherigen historischen geschnitzten Holzlarven gibt es z. Zt. wieder 18 Stück. ... Des Hausacher "Narro" altüberliefertes Fasnetskostüm, das schon Großvater, Urgroßvater und Ururgroßvater als Spättlekleid an der Fasnet trugen, hatte als Gesichtsbedeckung eine aus Hartholz geschnitzte, mit Ölfarbe gestrichene Holzlarve, die kein dämonisches, sondern ein freundliches Gesicht und Miene machte, an einem Tuch befestigt war, das die Kopfseiten und Hinterteil ganz verdeckte. Auf dem oberen Kopfteil saß ein kleiner Pappdeckelhut, auf dem an einem senkrecht stehenden Pappdeckel ein 30—40 cm großer farbiger Federbusch in die Höhe ragte. In keiner andern alemannischen Stadt oder Dorf ist diese Holzlarve mit vielfarbigem Federnbusch üblicher Brauch. Die Narrenstadt Hausach ist berechtigt den Titel als Alleinträgerin dieser Fasnetskostümierung für sich in Anspruch nehmen zu können. Die mit buntfarbigen, unten abgerundeten Tuchresten übernähten Hosen und Jacken, das Kostüm, glich einem Schindeldach der Bauernhäuser der Triberger Gegend. Die heutige Jacke ist halb längs rot und halb längs gelb, ebenso ein Hosenbein rot, das andere gelb."
Hier ist eindeutig ausgesagt, dass der Hausacher Hansel ursprünglich ein Spättlehansel war und nach dem "großen Krieg" - gemeint ist damit der 1. Weltkrieg - von den "gelbroten Maskenkleidern" verdrängt wurde. Falls diese Angaben stimmen, würde sich die von Josef Krausbeck überlieferte Enttstehungsgeschichte das Hausacher Hansels bestätigen.
In seiner 2011 erschienenen Schrift "E Lumpehund, e Siech, e Kaib. s Husacher Hansele" bezweifelt der Hausacher Narrenrat José F. A. Oliver diese Darstellung des in Hausach geborenen Mundartdichters Gustav Hirt und führt als Hauptargument die Erinnerungen des 1905 geborenen Anton Schmider auf, der bereits vor dem ersten Weltkrieg im Alter von 8 Jahren mit einem gelb-roten Hansele-Häs an der Hausacher Fasnet teilnahm.
Auch in den 1972 erschienenen Jugenderinnerungen des 1902 geborenen Hausacher Pfarrers Emil Engesser wird von "vielen Hausacher Hansele" gesprochen, die vor dem 1. Weltkreig das Bild der Hausacher Fasnet prägten. Über das Aussehen dieser Hansele wird jedoch nichts ausgesagt. Oliver geht in seiner Interpretation dieser Stelle davon aus, dass mit dem Begriff "Hausacher Hansele" eine Narrenfigur mit der heutigen gelb-roten Häsform gemeint ist.
Paul Rist, der Verfasser des 1. Hausacher Narren-Codex‘, schrieb 1931 in einem Zeitungsaufsatz: "Ein Überbleibsel aus dem bunten Allerlei dieser alten Fastnachtsspiele hat sich erhalten im Hausacher Narro" (Scriptum Narreteium, Seite 30)
Im Protokollbuch der Hausacher Narrenzunft von 1935 findet sich die Bezeichnung „historische Hanseli“.
Emma Winterer (* 1876), Emil Moritz (* 1874) und Johann Klausmann (*1866) gaben am 25.1.1954 vor dem Hausacher Bürgermeister Eugen Heizmann mit eigenhändiger Unterschrift zu Protokoll:
"Der Hausacher „Narro“ mit Schämen, die Spättlemadlee als solche sowie die Katzenmusik und Elfemess wurden schon von unseren Vorfahren als Fasnetbrauchtum übernommen, gepflogen und bis auf den heutigen Tag gezeigt."
Aus diesen Quellen geht hervor, dass das Hausacher Hansele durchaus zu verschiedenen Zeiten unterschiedlich benannt wurde, also allein aus dem Begriff "Hansele" nicht automatisch ein Rückschluss auf dessen Aussehen gezogen werden kann.
Oliver schließt kategorisch aus, dass die Angaben von Hirt (dessen Integrität Oliver stark bezweifelt, obwohl er keine näheren Einzelheiten über Herkunft und Leben Hirts vorbringt, die die Unglaubwürdigkeit Hirts konkret belegen) bezüglich eines Hausacher Spättlehansels der Wahrheit entsprechen könnten, da es sonst keine anderen Quellen für diesen Hanseltyp in Hausach gibt.
Zugleich weist Oliver in seiner umfangreichen Schrift immer wieder darauf hin, dass monokausale Erklärungsversuche über die Herkunft des Hausacher Hanseles zu kurz griffen: "Das Husacher Hansele hat viele Väter und Mütter aus der Geschichte der Fastnacht und war auf eine Leihgabe aus W. nicht wirklich angewiesen."
Wenn der Husacher Hansele tatsächlich "viele Väter und Mütter" hatte, warum soll es dann ausgeschlossen sein, dass es eben doch zuerst in Wolfach einen gelb-roten Hansel gab, der irgendwann im Laufe der vergangenen 500 Jahre nach Hausach ausgeliehen wurde?
Der in Wolfach nachweisbare gelb-rote Hansel wurde sicher nicht in Wolfach erfunden. Die Entstehungsgeschichte des Wolfacher gelb-roten Hansels ist gewiss genauso komplex wie jene das "Husacher Hansele" und er hatte "viele Väter und Mütter" - und wer weiß: vielleicht war es genau umgekehrt, und die Wolfacher haben ihren Hansel nach dem Vorbild des "Husacher Hanseles" gestaltet. Einen Beweis dafür gibt es jedoch nicht.