Elfemess

am Dunschtig, Mentig und Zieschtig

Nach einer Anordnung des fürstenbergischen Oberamts von 1804 solle das "Maskenlaufen" an den drei Fasnettagen Donnerstag, Montag und Dienstag vor dem vormittägigen Gottesdienst unterbleiben. Es ist anzunehmen, dass sich aus dieser Vorgabe die drei Elfemessen, die sich seit 1867 schriftlich nachweisen lassen, entwickelten, denn der Ausdruck "Elf-Uhr-Messe" bezeichnete ursprünglich den das ganze Jahr über um 11 Uhr im Anschluss an den morgendlichen Gottesdienst in einer Gastwirtschaft abgehaltenen Frühschoppen der Flößer.

Elfemess 1935
Elfemess 1935

Die Zuteilung der drei Elfemessen an je eine Wirtschaft wurde ab Ende des 19. Jahrhunderts alljährlich durch das Närrische Comité neu geregelt und den Wirten schriftlich mitgeteilt, die die durch einen bezahlten Narrenboten überbrachte Benachrichtigung durch ihre Unterschrift zu bestätigen hatten. 1891 bat die damalige Narrenvereinigung die Elfemess-Wirte, den "alten Gebrauch, bei 11-Uhr-Messen unentgeltlich Speisen zu verabreichen, aufzugeben und sich voll bezahlen zu lassen". Das "Comité der Freien Narrengesellschaft" wies 1908 die Wirte nochmals ausdrücklich darauf hin, dass der "früher übliche Brauch, Speisen und Getränke unentgeltlich abzugeben", aufgehoben sei. Dieser Brauch der kostenlosen Bewirtung dürfte auf die als Schauertag bezeichnete und ursprünglich von der Stadt seinen Bürgern bezahlte Ratszehrung am Aschermittwoch zurückgehen.

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Im Anschluss an die Elfemessen werden seit jeher kostenlos Brezeln an die Kinder verteilt. Eine erste ausführliche Schilderung dieses Brauches aus dem Jahre 1895 findet sich in der handschriftlichen Chronik der Stadt Wolfach von August Armbruster (1860-1933):

Und wie gellten sie nicht noch tagelang nach der Fastnacht in unseren Ohren, die schönen alten Fastnachtsreime, welche die Schuljugend hungrig wie die Kirchenmäuse und beutegierig wie die Wölfe vor den Fenstern der Elfemesswirtschaften herunterjohlen und herunterleiern? Und wenn sich dann einer der Elfemessler der ausgehungerten Schreier erbarmt und eine Partie Bretschle zum Wirtshausfenster hinauswirft, dann fallen sie übereinander her, raufen und balgen sich darum, so wield, wie wenn man den Hühnern Futter vorwirft. Doch wenn sich der Schreier keiner erbarmen will, dann setzen sie einem bekannten Narren in der Wirtschaft das Messer direkt an den Hals, indem sie herausjohlen "Der Wilhelm soll rusgucke!" Wenn die ausgeworfenen, herausgeschütteten [Bretscheln] etwas dünn gesät, so wird der Betreffende mit dem Ruf "Hennefueter" abgedankt. Kommt aber überhaupt gar nichts für die Schreihälse heraus, so wird mit dem Zornausruf ‚Hungerliider' den kneipenden Elfemesslern die Entrüstung von Jungwolfach Ausdruck gegeben.

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Bretschleuswerfe 2018

Ergänzend dazu schreibt 1920 Franz Disch (1870-1948) in seiner Stadtchronik, wie sich "die junge Schar" gierig auf die Beute wirft und sich darum "balgt und rauft": Während der eine "triumphierend eine halbe oder gar ganze Bretzel erobert, muß der andere froh sein, sich mit ziemlich heilen Händen aus dem Menschenknäuel herauslösen zu können". Wirft "der ‚Karle' oder wie der Betreffende gerade heißt", viele Brezeln aus, dann schreit alles: "Der Karle soll lebe". Die ursprüngliche Spontaneität des Brezelauswerfens ging mit der Zeit verloren. Heutzutage steht am Eingang zur Elfemesswirtschaft jeweils ein Narrenpolizist, der die Kinder zum Rufen der Fasnetsprüche animiert.

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Die Brezel galt ursprünglich als eine typische von Mönchen kreierte Fastenspeise am Aschermittwoch, deren Form zum Beten verschränkte Arme symbolisieren soll, worauf schon ihr Name hindeutet. Durch eine Anordnung aus dem Jahre 1667 waren die Bäcker in Wolfach unter Strafandrohung dazu verpflichtet, "zuer Zeit der Fasten neubachen Bretzen [zu] haben und daß bei Straf" des Pfunds. 1771 wollen "die Becken wegen Teure der Früchten keine Pretschgen auf den Aschermittwoch und in den Fasten backen". Kriegsbedingt werden 1795 die "Beckhen enthoben, Prezeln über die Fastenzeit zu backen". Im Lauf des 19. Jahrhunderts verschob sich dann der Brauch des Brezelessens von Aschermittwoch auf die Fasnetzeit. Womöglich geht dies auf den von 1856 bis 1860 in Wolfach tätigen Pfarrverweser Ernst Ginshofer zurück, auf dessen Betreiben hin bereits das Schauertagsessen von Aschermittwoch auf den Fasnetzieschtigabend verlegt wurde und der damit tatkräftig die katholische Kirche in ihrem damaligen Bestreben unterstützte, den Aschermittwoch als ersten Fastentag von außerkirchlichen Bräuchen frei zu halten.

Bei der Elfemess am Schmutzige Dunnschtig beteiligen sich seit den 1990er-Jahren in großer Zahl die zuvor von der Narrenzunft befreiten Schüler, die sich meist klassenweise zu einem bestimmten Thema fantasievoll kostümieren. Bereits bei den Jungnarrenversammlungen, die in den Wochen vor der Fasnet stattfinden, lässt der närrische Nachwuchs seiner Kreativität in der Gestaltung von Verkleidungen freien Lauf, auch wenn er sich dabei oft im Rahmen klassischer Standardtypen wie Cowboy, Clown, Hexe oder Gespenst bewegt oder sich an den von Fernsehen und Medien vorgegebenen Gestalten, beispielsweise Batman oder Harry Potter, orientiert.

Elfemess 2007
Elfemess 2007: "Bürgermeister Gottfried mosert rum"

Die freien Gruppen an der Elfemess, die lustige oder bemerkenswerte Ereignisse des vergangenen Jahres glossieren und die auch als "Elfemessler" bezeichnet werden, versuchen, mit ihrer Verkleidung und ihrem Verhalten den dargestellten Personen möglichst ähnlich zu sehen.

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