Wohlauf

am Schellementig

Beim Wohlauf, dem historischen Narrenwecken, versammeln sich am Schellementigmorgen vor dem Stadttor mehrere hundert Narren, die alle mit Wohlaufhemden und -kappen (weißen Nachthemden und Zipfelmützen) bekleidet sind und ein Krachinstrument bei sich haben; viele von ihnen tragen hölzerne Stalllaternen, denn die Straßenbeleuchtung und jede andere Lichtquelle in der Stadt sind während des Zuges ausgeschaltet. Gleich nach dem Betzeitläuten der nahen Schlosskapelle um 5:30 Uhr setzt sich der Wohlauf unter ohrenbetäubendem Lärm in Bewegung; in seiner Mitte wird auf einem Wagen ein von Stalllaternen beleuchtetes Bett mitgezogen, in dem der Wohlaufmaa schläft.

Wohlauf 1927
Der Wohlauf 1927

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An jenen Stellen, wo einst der Nachtwächter seine Stundenrufe ertönen ließ - vor den Gasthäusern Salmen, Kreuz, Fortuna, Hirsch und Ochsen sowie am Schützeneck, beim Narrenbrunnen am Gassensteg, in der Kirchstraße Ecke Grabenstraße und abschließend im Schlosshof - hält der Zug an, der Lärm verstummt und die Stalllaternen werden hoch gehoben. Der Wohlaufmaa erwacht nun in seinem Bett, steht auf und singt eine Parodie auf ein altes Nachtwächterlied:

Wohlaufmaa Blattner

Wohlauf! Wohlauf!
Ihr Narren, hört, vernehmt und wisst:
Der Narrotag erstanden ist.
Der Tag fangt an zu leuchten
Den Narro wie den Gscheiten.
Der Narrotag, der nie versag!
Wünsch allen Narro e guete Tag!

  

Wohlauf

Die zweite Zeile des Textes lautete ursprünglich "Im Namen des Herrn Entechrist". Obwohl sich die Verknüpfung des Antichristen mit dem Narrenbegriff bis ins Mittelalter zurückverfolgen lässt, kam es darüber 1965 zu einem großen Streit, denn der damalige evangelische Pfarrer Otto Fischer äußerte in Unkenntnis der mittelalterlichen Traditionen gegen die Anrufung des Antichristen im Wohlauflied und zugleich gegen die gesamte Wolfacher Fasnet schwere Bedenken. Nachdem die Narrenzunft zunächst jede Änderung strikt ablehnte, kam es 1973 zur Ersetzung des Entechrists durch die von J. Krausbeck formulierte Zeile. Wie sehr dieser Streit die Gemüter der Narren bewegte und dauerhaft beschäftigt, zeigte sich, als die Narrenzunft 25 Jahre später einen neuen Wohlaufsänger suchte und sich zwei der vier Kandidaten für die Wiedereinführung des alten Textes aussprachen. Ab und an ist jedoch das Wohlauflied immer noch mit der Entechrist-Zeile zu hören, wenn der Wohlauf, dessen Sänger oder ein Ereignis, das mit diesen zusammenhängt, im Rahmen einer Elfemess oder beim Schnurren parodiert wird.

Wohlauf 1954
Wohlauf 1954

Nach dem Wohlauf kaufen viele der Teilnehmer in den Bäckereien der Stadt frische Brezeln und anderes Backwerk für ihr schellenmontägliches Frühstück. Manche Narren gehen auch in ein Lokal, um Röschele zu essen. Diese Tradition entstand erst nach dem 2. Weltkrieg, als nach einem Wohlauf einige Narren in der Gastwirtschaft "Zum Hecht" zusammen saßen und der Narrenrat Albert Sandfuchs jun. meinte, jetzt täte doch etwas Saures gut; prompt erfüllte die Wirtin diesen Wunsch.

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