Kinderumzug

am Fasnetzieschtig

Am Fasnetzieschtignachmittag steht beim Kinderumzug, der früher über viele Jahre hinweg offiziell als Klei-Chores-Märkt bezeichnet wurde, der Bretschelhans im Mittelpunkt, ein auf einem fahrbaren Gestell sitzender, riesiger gelb-blauer Schellenhansel, der über und über mit Brezeln behängt ist und vom Narrenratsauto, auf dem die Jungnarrenräte mitfahren, um die Stadt gezogen wird. Im Anschluss an den Umzug verteilen die Narren- und Jungnarrenräte die Brezeln auf der Festspielbühne vor dem Rathaus zusammen mit je einer heißen Wurst an die kleinen Narren.

Kinderumzug 1967
Kinderumzug 1967

Ab dem Jahre 1880 lässt sich diese kostenlose Verteilung von Brezeln während der Fasnet an den "Narresome", wie der närrische Nachwuchs auch bezeichnet wird, schriftlich nachweisen. 1886 wird im Kinzigtäler erstmals der Bretschelhans erwähnt, eine etwa 1,50 m große, mit Brezeln behängte Puppe, die den Kindern am Fasnetzieschtig nach dem Umzug zugeworfen wurde. 1905 ließ die Freie Narrenvereinigung von Huf- und Wagenschmied Carl Breithaupt eine Bretzelwurfmaschine mit drehbarem Gestell anfertigen, die bis zum 1. Weltkrieg in Gebrauch war.

| nach oben |

Bretschelhansel 1937

Der Sattler Otto Eckerle fertigte 1908 einen neuen, von einem großen, kräftigen Mann zu tragenden Bretzel-Hans an, der aus einem großen Weidenkorb, sieben Meter Leinwand, viel Seegras und Stroh entstand. Der Gesamtpreis betrug 9,80 Mark, von dem die Wolfacher Bäcker 6,70 Mark stifteten; dafür durften sie dann Brezeln im Wert von 35 Mark zur Bestückung des Hansels liefern.

Bretschelhansel 1992

Da das Fasnetverbot nach dem 1. Weltkrieg nicht für die Kinder galt, gab es für sie 1920 eine Elfemess, zu der der "Narrepappe" Friedrich Schmidt vom Fischerbeck auf Kosten der Narrenkasse 550 Laugenbrezeln à 12 Pfennig backen ließ. Die Brotmarken dazu wurden zusammengebettelt. 1921 organisierte die Narrenzunft auf dem Schwarzmarkt von einem Fruchthändler aus Schwaben einen Zentner Brezelmehl für 350 Mark. An den Zuteilungsstellen vorbei besorgte Sattlermeister Jakob Schmidt einen weiteren Sack für 700 Mark. Der Schillinger- und der Jehlebeck buken daraus 1300 Brezeln zum Preis von 150 Mark.

Der Bretschelhans bekam zur Fasnet 1930 ein neues Gestell. Zugleich gab es von nun an bei der Brezelverteilung für jedes Kind auch eine heiße Wurst dazu; im ersten Jahr waren es bereits 800 Stück. Das mühsame Aufnähen der Brezeln mit Nadeln und Zwirn auf das Leinengewand des Bretschelhans' übernahmen in den 1930er-Jahren meist die Schülerinnen der Nähschule, später dann die Kaffeetanten.

Bretschelverteilung 1993
Bretschelverteilung 1993

Ein Fasnetverbrennen der besonderen Art fand 1965 statt, als nach dem Kehraus im Schlosshof das alte Gestell des Bretschelhans' verbrannt wurde. Als Ersatz dafür baute Narrenrat Egon Grieshaber in seiner Funktion als Organisator mit Unterstützung der Firma Grieshaber und von Ingenieur Schmider den großen fahrbaren Bretschelhans, an den seither die jeweiligen Jungnarrenräte, die zu jener Zeit die Organisation der Kinderfasnet übernahmen, die Brezeln nun leicht und schnell an Haken aufhängen können.

| nach oben |