Festspiel

am Schellementig

Wolfach ist einer der wenigen Orte im südwestdeutschen Raum, wo seit über 200 Jahren bis heute Fasnetspiele zu sehen sind, die hier offiziell als Festspiel bezeichnet werden.

Festspiel 1933
Festspiel 1933: Die Befreiung der Freude

Die ersten Fastnachtspiele entstanden in Deutschland, ausgehend von Lübeck und Nürnberg, zu Beginn des 15. Jahrhunderts. Die Textüberlieferung ist stark auf Nürnberg konzentriert, doch gibt es im ganzen deutschen Sprachgebiet Hinweise auf die einstmals weite Verbreitung dieser literarischen Gattung. Die Fastnachtspiele waren ursprünglich keine weltlichen, sondern in erster Linie geistliche Schauspiele. Dies zeigt sich an ihrer Einbindung in den kirchlichen Festkalender. Diese spezielle Form des Dramas starb nicht im 16. Jahrhundert mit dem Ende der Spieltradition in Nürnberg aus, wo sie mit den Werken von Hans Sachs (1494-1576) einen bedeutenden Höhepunkt erlebte, sondern lässt sich über die Jahrhunderte hinweg bis heute kontinuierlich nachweisen.

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In Wolfach führte 1788 eine "Commedianten-Compagnie", die womöglich von dem von 1784 bis 1797 in Hausach tätigen Lehrer Georg Anton Bredelin (1752-1814) gegründet wurde, im Rathaus eine "Fuxen-Commedie" auf, die vielleicht von Bredelin basierend auf dem bekannten Versepos "Reinecke Fuchs" geschrieben wurde. Zu jener Zeit dürfte auch Bredelins musikalisches Nachspiel "Die Weibermühle von Tripstrill" entstanden sein, das mit seiner Typisierung der Personengestaltung und dem Auftreten des Hanswursts ganz in der Tradition des Fastnachtspiels steht und wahrscheinlich das einzige Spiel seiner Art aus dem 18. Jahrhundert ist, das heute noch regelmäßig aufgeführt wird.

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Die Weibermühle von Tripstrill im Jahre 1836

Es ist anzunehmen, dass aus der Commedianten-Compagnie um 1800 die Freie Narrenzunft Wolfach hervorging, die deren Spieltradition übernahm. Die Aufführung von Bredelins "Weibermühle" am Fasnetzieschtig 1802 ist das erste schriftlich nachweisbare Festspiel. Auch in den Jahren 1836, 1858, 1892 und 1973 stand die Weibermühle auf dem närrischen Spielplan; seit 1977 wird sie regelmäßig alle fünf Jahre wiederholt.

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Die bereits im 15. und 16. Jahrhundert feststellbaren strukturellen Unterschiede in der Gestaltung von Fastnachtspielen, die sich in drei Typen - Reihen- oder Revuespiele, Handlungsspiele sowie Mischformen aus beiden - unterteilen lassen, finden sich auch in Wolfach. Neben den Stücken mit genau festgelegter Handlung entwickelte sich insbesondere in den Jahren zwischen 1970 und 1995 die Form des Gruppenfestspiels, bei dem die Bühnenauftritte der rund ein Dutzend Festspielgruppen mit ihren jeweils etwa 20 bis 40 Teilnehmern, die sich alljährlich zum vorgegebenen Thema eine passende Verkleidung ausdenken, nur durch eine lose, oft improvisierte Rahmenhandlung verbunden sind. Die Gruppen kommen auf die Bühne, führen ihren einstudierten, überwiegend pantomimisch dargestellten Beitrag vor und verlassen dann die Bühne auf der anderen Seite wieder. Besonders beliebt sind dabei typische oder exotische Volksgruppen, wie beispielsweise Zigeuner, Indianer, Cowboys, Schwarzafrikaner, Eskimos, Russen, Orientalen, Franzosen, Italiener oder Spanier. Eine südländische Note bringt die aus dem 1966 gegründeten "Clube Português" hervorgegangene "Grupo Português de Carnaval" in die Fasnet, die sich seit 1971 alljährlich fantasievoll am Festzug und -spiel beteiligt.

Seit Ende der 1990er-Jahre wird wieder vermehrt auf eine durchgehende Handlung geachtet und ein genauer Spieltext festgelegt, an dem sich die einzelnen Gruppen bei der Gestaltung ihres Auftrittes zu orientieren haben.

Die Wolfacher feiern seit der Einweihung des Narrenbrunnens 1970 alle fünf Jahre das Dammfest; bis 1990 fiel deshalb jeweils in jenen Jahren das Festspiel auf dem Marktplatz aus. Seit 1996, als das Dammfest ausnahmsweise wegen des Narrentreffens 1995 außerhalb des üblichen Fünf-Jahres-Rhythmus' stattfand, gibt es auf einer Bühne beim Gassensteg ein Dammfestspiel.

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Die Festspiele werden immer durch ein mit viel närrischem Witz und künstlerischem Aufwand gestaltetes Festspielplakat angekündigt. Das älteste erhaltene Plakat stammt von 1862, auf dem für das Indianer-Spiel "Wampum, genannt die große Schlange, oder: Siegestanz des Indianerstammes der Papuaner nach einem Kampfe mit den Engländern" geworben wird.

  

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